Familienfrieden … oder darf es noch ein bisschen mehr sein?

Nun gut, bis Weihnachten ist es doch noch ein bisschen hin – kalendarisch zumindest, die Supermärkte pflegen da eine andere Haltung. Dort steht der kommerzielle Aspekt in Vordergrund. Und bei Ihnen so? Welcher Aspekt motiviert Sie zu Familienbesuchen?

Hier soll es speziell um solche mit „Nachbrenneffekt“ gehen. Solche, die nachher und/oder auch vorher etwas Ungutes in Ihnen auszulösen vermögen. Und trotzdem: Den Kindern zu Liebe, aus Pflichtgefühl und in der Hoffnung, dieses Mal könnte es ja mal ganz anders laufen, etc…

Mir selbst flatterte neulich eine Einladung zum 70. Geburtstag ins Haus. Eine Großtante will groß feiern, wie auch sonst, jedoch hat sie so wenig Platz und schon so viele Einladungen ausgesprochen, dass sie mir nahelegte, alleine zu kommen – aus Platzgründen eben und ich würde ja bestimmt verstehen, den „Anhang“ zu Hause zu lassen.

Solche Geschichten gibt es in jeder Familie, vielleicht sind Sie die Ausnahme. Da tritt jemand unabsichtlich oder völlig bewusst auf Ihre Füße, findet mit trügerischer Sicherheit den wunden Punkt, das Reizthema, gerne was Politisches, mischt sich in Erziehungsfragen ein oder steht in Konkurrenz zu Ihnen, was Sie bei fast jeder Gelegenheit zu spüren bekommen. Zündstoff für einen Familienkonflikt gibt es zuhauf.

In Familien ist jeder Profi

Dabei wollen wir doch Harmonie, friedliches Zusammensein, einfach nur Ruhe – wir kommen schließlich mit den besten Absichten. Ahnen, welche Themen explosiv werden könnten, vermeiden sie und dennoch klappt es nicht mit dem Familienfrieden. Am Ende ist es so wie immer. In Familien ist jeder Profi in seiner Rolle.

Die Dynamik ergibt sich aus dem Zusammenspiel zwischen den Menschen, es ist wie ein Tanz zur immer gleichen Musik. Familiensysteme sind verflochten und funktionieren in Wechselwirkung untereinander.

Ursache-Wirkung-Logik begünstigt Schuldzuweisungen

Funktionierende Lösungen rücken weiter weg, wenn wir uns auf die reine Analyse von Ursache und Wirkung beschränken, die eher Schuldzuweisungen begünstigt als Leichtigkeit herbeiführt. Familienkonflikte entstehen in emotionale Nähe, ob wir das wollen oder nicht. Giftige Konflikte oder selbst manche Erkrankungen einzelner Familienmitglieder können ein Hinweis sein, dass es etwas im Guten zu lösen gilt. Manchmal reicht es auch, wenn es reicht.

Konflikte sind gehören in manchen Familien dazu und respektvoll ausgetragen, haben sie durchaus ihre Funktion. Reibung erzeugt bekanntermaßen ja auch Wärme. Und was, wenn es so nicht mehr geht, wenn es anders werden soll und ein Kontaktabbruch zur Familie sich (noch) nicht richtig anfühlt?

Meist gibt es einen Anlass, sich Hilfe zu suchen. Ich werde von Klienten gefragt, wie er oder sie machen kann, dass andere sich verändern. Im Sinne von „Können Sie mir helfen, dass meine Schwester nicht immer…“ Sie ahnen es schon: Dieses Ziel wäre eher ein Ergebnis, eines von anderen Möglichkeiten. Es direkt anzusteuern, auch wenn die Gründe noch so nachvollziehbar sind, wäre schwierig, vorsichtig ausgedrückt. Der Weg führt eher über eine Veränderung eigener Bewertungen und Lösungsideen in der Beziehung zum Familienmitglied, mit Hilfe anderer Ressourcen, die diese Familie hat. Zudem haben Klienten eigene Erfahrungen gesammelt und sicherlich schon einiges selbst probiert. Das sind wertvolle Hinweise auf etwas, was mehr oder weniger gut funktioniert hat und damit wertvoll zur Klärung und Besserung des Anliegens.

Was Muster stabilisiert, kann sie verändern

Systemische Beratung oder Therapie kann, auch wenn es die Familie betrifft, hilfreiche Veränderungsprozesse durch eine einzelne Person anstoßen. Hierzu gibt es gute Methoden, wie z.B. die Arbeit mit Genogrammen, sozialen Atomen oder mit Symbolen, die aus der Familientherapie den Weg in die Einzelarbeit gefunden haben. Über das Dramadreieck zu wissen, kann helfen.

Mit Hilfe der passenden Methode kann einerseits ein Verstehen der Beziehungsdynamik innerhalb der Familie entwickelt werden, andererseits können auch Hypothesen entstehen, wie diese Beziehungen sich zukünftig zum Besseren wandeln könnten. Nützlich ist dabei ein Verstehen und Nachspüren der anderen Perspektive, die hilfreiches Erkennen ermöglicht. Ein Weg wäre es, herauszufinden, was bisher stabilisierend auf den Konflikt gewirkt hat, um Muster aufzuweichen, eine Lösungsidee zu entwickeln und damit neue Erfahrungen zu machen. Dabei sind es selten die ganz großen Räder, die gedreht werden müssen, sondern eher kleine an geeigneter Stelle.

So nun ist schon näher an Weihnachten…und tja, Gertrud*, ich hänge an meinem Anhang. (Hier hilft mir eine klare Position.)

*Name unverändert, sie findet es okay.

Eigenes Thema lösen?